Sozialfiguren des Digitalen

Veranstalter
Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kooperation mit der Schader-Stiftung, Darmstadt. (Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie (DGS) und die Schader-Stiftung)
Ausrichter
Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie (DGS) und die Schader-Stiftung
Veranstaltungsort
Schader-Stiftung Darmstadt
Gefördert durch
Schader-Stiftung
PLZ
64285
Ort
Darmstadt
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
21.11.2024 - 22.11.2024
Deadline
24.06.2024
Von
Anja Peltzer, Universität Mannheim

Jahrestagung der Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kooperation mit der Schader-Stiftung am 21./22.11.2024 in Darmstadt.

Sozialfiguren des Digitalen

Bots, Hacker, Nerds und Sinnfluencer. Streamer, Hater, Trolle und Content Creator. Die Digitalisierung hat eine Vielzahl an Typen hervorgebracht, die digital erschlossene Lebenswelten prägen. Zusammen mit der Schader-Stiftung möchten wir dazu einladen, dieses digitale Figurenarsenal empirisch und theoretisch als Sozialfiguren des Digitalen zu analysieren und im Hinblick auf ihre Aufschließungskraft für unsere pluralisierte Gegenwart zu diskutieren. Dies soll zudem einen Dialog zwischen Soziologie und Praxis über Prozesse und Konsequenzen der Digitalisierung anregen.
Sozialfiguren des Digitalen stellen prominente Fälle der öffentlichen und konfligierenden Selbstverständigung über digitale Transformationsprozesse dar. Als Sozialfiguren kennzeichnet sie dabei, dass sie auf anschauliche Weise, als menschenähnliche Figuren, die Fragen und Probleme, aber auch Wünsche und Hoffnungen verkörpern, welche die Menschen bezüglich des digitalen Wandels und künstlichen Intelligenzen umtreiben: von der potenziellen Neuausrichtung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft, von Prozessen der Radikalisierung und Polarisierung, von Mensch und Maschine, von Virtualität und Realität, bis hin zu normativ noch ungeklärten Fragen wie z.B. der Verantwortlichkeit in automatisierten Prozessen.
Sozialfiguren sind eine soziologische Beschreibungsform mit langer Tradition (Moser/ Schlechtriemen 2018). Bei Siegfried Kracauer sind es die Angestellten und ihre Plaisirkasernen im Berlin der 1920er-Jahre, bei Richard Sennett ist es der flexible Mensch, den der neue Kapitalismus kennzeichne und Stefan Moebius und Markus Schroer haben einige „Sozialfiguren der Gegenwart“ in ihrem vielbeachteten Herausgeberband versammelt. Unabhängig davon ob 1930, 1998, 2010 oder heute: Sozialfiguren sind Figurationen der Transition. Sie dienen in ihrem je spezifischen Kontext der gesellschaftlichen Selbstverständigung, indem sie in Phasen des Umbruchs signifikante Phänomene figurativ übersetzen, verdichten, erfahrbar machen und zur Reflexion freigeben. Dadurch bieten sie zugleich Orientierung für die Zukunft, etwa hinsichtlich der Wahl beruflicher Karrieren oder Wege des Zusammenlebens in digitalen transnationalen Räumen.
Heute, nach der über 50-jährigen Karriere der Digitalisierung, treten Sozialfiguren als signifikante Figuren einer Phase digitaler Transformationsprozesse auf, in der sich digitale Technologien als ebenso alltäglich wie immer noch irritierend beschreiben lassen. Sozialfiguren des Digitalen, so möchten wir als These in den Raum stellen, signifizieren in diesem Fall nicht eine Phase des Umbruchs in einer linear vollzogenen Epochenlogik – sondern sie übersetzen die diskontinuierlichen Kontinuitäten als Signum sozialer Prozesse (vgl. Endreß 2022, S. 161) insbesondere unter digitalen Bedingungen. Denn die Alltäglichkeit des Digitalen setzt ein Orientierungswissen im Umgang mit ihr voraus, das sich noch gar nicht ausgebildet, geschweige denn routinisiert hat. Digitalisierung wird hier also nicht mehr als Neuerungs- oder Innovationsprozess verhandelt, sondern in ihrer ganzen irritierenden Alltäglichkeit. Welches Wissen – wie – über diese ‚Dialektik des Digitalen‘ in Form der Sozialfiguren verhandelt wird, möchten wir auf unserer Jahrestagung der Sektion für Medien- und Kommunikationssoziologie in Form von Panels, Vorträgen und Podiumsgesprächen zur Diskussion stellen.
Ein besonderes Anliegen dieser Tagung ist der Dialog aktueller soziologischer Digitalisierungsforschung mit der Praxis. In Kooperation mit der Schader-Stiftung werden daher auch Panels zusammen mit Praktiker:innen stattfinden: etwa politischen Content-Manager:innen, IT-Forensiker:innen oder digitalen Fahnder:innen.
Fester Bestandteil der Jahrestagung ist zudem ein Workshop für Early Career Researcher. Dieser Workshop ist nicht an die Sozialfiguren gebunden, sondern gestaltet sich thematisch offen. Dort erhalten Sie die Möglichkeit Ihr Dissertationsprojekt vorzustellen und sich Tipps und Tricks rund um das wissenschaftliche Publizieren einzuholen. Wir möchten alle Early Careers der Sektion sowie der Sektion verbundene dazu animieren, diese Gelegenheit zu nutzen, um sich gegenseitig kennenzulernen und mögliche Anschlussstellen zu entdecken. Finanzielle Unterstützung für Reisekosten ist, sofern notwendig, im Rahmen unserer Möglichkeiten vorgesehen.
Für die Tagung freuen wir uns auf Beiträge zum Thema – gerne auch aus verschiedenen Disziplinen.

Literatur
Endreß, M. (2022). Zur Analytik von Prozessualität. In: Endreß, M. & Rampp, B. (Hrsg.) Resilienz als Prozess. Springer VS, S. 159–191.
Kracauer, S. (1930/2023). Die Angestellten. Aus dem neuesten Deutschland. Suhrkamp.
Moebius, S. & Schroer, M. (Hrsg.) (2010). Diven, Hacker, Spekulanten: Sozialfiguren der Gegenwart. Suhrkamp.
Moser, S. J., & Schlechtriemen, T. (2018). Sozialfiguren – zwischen gesellschaftlicher Erfahrung und soziologischer Diagnose“, Zeitschrift für Soziologie 47 (3), S. 164–180.
Sennett, Richard (1998). Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin Verlag.

Kontakt

anja.peltzer@uni-mannheim.de
matthias.wieser@aau.at
lorenz@schader-stiftung.de

https://www.schader-stiftung.de/sozialfiguren
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung